Dienstag, 26. Oktober 2010

Maßloser Ärger

Heute gab es auf WON (Welt Online) zwei besonders "gelungene" Artikel!
1. Mehr Ärzte aufs Land
und
2. Das Gesundheitssystem, Kommunismus in Reinform

Im ersten ging es darum wie man - angesichts des Ärztemangels - mehr Ärzte auf Land bekommt, natürlich inklusive Praxisinvestitionszuschüssen, höheren Honoraren für Landpraxen und - darüber ärgere ich mich besonders - der Frage "wer Zugang zum Arztberuf haben könne"!
Anscheinend ist den diskutierenden Geistern nicht bekannt, daß es schon seit Jahrzehnten eine Zulassungsplanung,-steuerung und -begrenzung für Arztsitze in Deutschland gibt! In sogenannten "überversorgten" Gebieten ist eine Niederlassung nur in den noch freien Fachgebieten, oder durch Übernahme, sprich Fortführung, einer bestehenden Praxis möglich. Ausnahme - und genau so von damals noch Ulla gewollt - Gemeinschaftspraxen/Praxisgemeinschaften!
Auch ist den DiskuTanten(:)) das Grundgesetz wohl unbekannt, denn in
GG Artikel 12 [Berufsfreiheit] steht:
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte
frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf
Grund eines Gesetzes geregelt werden.

Da heißt es die Berufausübung kann geregelt werden, nicht die Berufswahl, eigentlich auch nicht die Ausbildungsstätte, oder die Wahl des Arbeitsplatzes!
Aber das hat das BVerfG ja leider schon vor Jahren wegen angeblich "höherer" Interessen beim NC (Numerus Clausus), als auch bei der Niederlassungsfreiheit von Ärzten zugelassen!
Mal sehen ob die angedachten neuen Regelungen auch vom BVerfG noch geschluckt werden!?
Im zweiten Artikel ließ sich ein Hans E. Müller (laut WON: Der Autor, Jahrgang 1930, ist langjähriger Medizinaldirektor und Leiter des Medizinaluntersuchungsamts Braunschweig und Autor zahlreicher Fachbücher. Zuletzt von ihm erschienen: „Legionellen – ein aktuelles Problem der Sanitärhygiene“, 3. Aufl. 2008) zum Thema Gesundheitssystem aus.

Mir ist bei dem Artikel die Spucke weggeblieben!

Neben einigen durchaus richtigen Anmerkungen, daß das GKV-System ein planwirtschaftliches (kommunistisches) sei, daß das Menschenbild der dies Verwaltenden und Gestaltenden "die mechanistische Vorstellung, Menschen seien Maschinen" ist (man betrachte einmal kritisch die Bertelmannschen Vorstellungen dazu, es stimmt!), gab es aber auch einen Haufen Unfug.

Der Autor bemerkt:
Das kommunistische Ideal der Überwindung des Kapitals, der Eliminierung des Geldes aus der Arzt-Patienten-Beziehung und eine ärztliche Behandlung völlig unabhängig von der wirtschaftlich-finanziellen Situation des Patienten war listigerweise von der Ärzteschaft mit dem sogenannten Sachleistungsprinzip in die GKV eingeführt worden – vordergründig mit dem Argument, dass kein Gedanke an den schnöden Mammon die Heilung belasten solle. So kamen den gesetzlich Versicherten nur noch die ärztlichen Sachleistungen zugute, ohne mit den von ihnen verursachten Kosten behelligt zu werden. Die Rechnung bezahlte die Kasse

Das ist schlicht falsch! Der Gedanke (weiß leider aktuell das Gesetzbuch in dem das steht nicht!) daß Ärzte unabhängig von wirtschaftlichen Überlegungen das Beste für den Patienten tun können sollen, ist älter als das Sozialgesetzbuch! Dieser alte Grundsatz lautet, daß der Arzt so gut bezahlt werden soll, daß er ohne zu überlegen ob sich die Behandlung für ihn rechnet, die optimale Behandlung für den Patienten umsetzen kann!

Das Sachleistungsprinzip wurde nicht von Ärzten eingeführt (es war schon Bestandteil der Bismarckschen Versicherung), sondern von linken Sozialpolitikern nach dem "Tausendjährigen Reich" wieder eingeführt, die (wie heute auch wenn es um die Kostenerstattung geht, s."Vorkasse") befürchteten die Ärmsten der Armen wären mit der Rechnung (trotz Kostenerstattung durch die Kassen) wirtschaftlich überfordert und würden Krankheiten deshalb verschleppen.

Solange die GKV dementsprechende Honorare zahlte, ging das auch gut! Der Arzt konnte unbelastet seine Arbeit tun und der Patient bekam die entsprechende Behandlung!
Doch seitdem (Beginn mit Ehrenberg 1977/78) wurde die Honorierung der Sachleistung zum Spielball der Politik. Mit der Begründung, die Ärzte verdienten zuviel (Stern 1977: Die Beutelschneider) wurden die Honorare gekürzt, ohne daß der Patient dies - er bezahlte ja nicht direkt - merkte, und ihm trotzdem weiterhin ungekürzte Leistungen versprochen, die von Politik und Kassen den Ärzten abgezwungen wurden.
Weiter äußert sich der Autor:
Check-ups können die Gesundheit verschlechtern

Wer das behauptet, ist ein Scharlatan, wer daran glaubt, ein Tölpel. Denn was in gewissen Grenzen bei der Zahngesundheit möglich ist, weil Reparaturen am Gebiss denen in einer Kfz-Werkstatt durchaus ähnlich sind, das ist bei Krankheiten weitgehend unmöglich, denn daran sind stets auch psychische Faktoren beteiligt, im einen Fall mehr, im anderen weniger.


Hier beweist der Autor seine völlige Unwissenheit bezüglich der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (so die korrekte Fachbezeichnung eines Zahnarztes)! Wer Zahnheilkunde mit Kfz-Reparaturen vergleicht hat absout keinen Schimmer!
Auch bei Erkrankungen des orofazialen/stomatognthen Systems sind psychische Faktoren wesentlich wichtiger als Herr Müller anscheinend erfassen kann!
(Ein Beispiel: Mein Vater hatte vor Jahren eine Patientin die ständig über Zahnschmerzen klagte. Nach allen Untersuchungen waren die Zähne aber in Ordnung. Mein Vater und auch ich (ich war damals Ausbildungsassistent) vermuteten psychische Ursachen (Ehe-, Berufs-, Altersprobleme) und rieten Ihr als auch ihrem Mann behutsam zum Besuch beim Psychiater/Psychologen! Empört wiesen Beide das zurück! Also blieb nichts als einen Zahn nach dem anderen zu entfernen! Doch auch als alle Zähne extrahiert waren und eine Totalprothese eingegliedert war, blieben die Probleme! Nachdem die Patientin dann lange nicht mehr erschienen war, hörten wir von ihrem Vater, daß Sie inzwischen die Scheidung eingereicht hatte und nun die Probleme beseitigt waren! Kommentar meines Vaters: "Hätte Sie doch auf uns gehört! Dann hätte Sie jetzt noch ihre eigenen Zähne!")
Auch erlebe ich tagtäglich Patienten mit diffusen Schmerzen, die ich dann als Erstes frage ob Sie a. vor kurzem erkältet waren oder Grippe hatten, und b. ob sie in letzter Zeit viel Streß (Beruf, Ehe, Partnerschaft, Verwandschaft) hatten, bzw. ob sie Knirschen oder Pressen! Manchmal reicht dann schon ein einfaches Einschleifen, oder die Eingliederung einer Schiene bringt Linderung!
Hier gibt Herr Müller also kompletten Stuß von sich, oder es spricht die Arroganz eines Allgemeinmediziners gegenüber dem "Schmalspurmediziner" Zahnarzt aus Ihm! (Wobei aus den WON-Anmerkungen zum Autor nicht klar wird ob er approbierter Arzt war/ist.)
Zumindest disqualifiziert es seine Äußerungen erheblich!

Herr Müller führt auch aus:
Selbst als das System schon an die Grenzen seiner Finanzierbarkeit gestoßen war, haben geschäftstüchtige Ärztefunktionäre die fachfremden Sozialpolitiker wie Horst Seehofer und Ulla Schmidt noch übertölpelt und Präventionsmaßnahmen als ärztliche Leistungen in den Leistungskatalog der GKV gedrückt.

Auch das ist falsch!
Diese Maßnahmen waren von Seehofer und Schmidt (letztere mit Beratung eines "Gesundheitsexperten" Lauterbach) explizit gefordert worden, obwohl die Ärzte am Beispiel der Schweiz und Schwedens ´vorrechneten, daß damit die Leistungsinanspruchnahme nur auf einen späteren Zeitpunkt verschoben würde.
Wobei unbestritten ist, daß eine frühzeitige Erkennung von bösartigen Tumoren, Diabetes u.ä. die Überlebenswahrscheinlichkeit drastisch erhöht, bzw. Spätfolgen wie im Falle von Diabetes (Augenschäden, Durchblutungsstörungen bis zur Amputation von Gliedmaßen etc.) verhindert oder vermindert werden können!
Auch hier irrt Herr Müller also!
Insgesamt wäre es besser gewesen Herr Müller hätte es bei seinen früheren (hoffentlich besseren) Werken belassen und weiter den Ruhestand (immerhin ist er inzwischen 80) genossen!

Aber noch mehr aufgeregt haben mich die Leserkommentare, bei ausnahmsweise NICHT geschlossenener Kommentarfunktion, die teilweise ein erbärmliches Unwissen zu den Bedingungen ihrer gesetzlichen Krankenversicherung beweisen!
Da schreibt zum Beispiel:
Prösterchen
„....Meiner Mutter wurden - als Komapatientin, die über Magensonde ernährt wurde - Zahnbehandlungskosten und ! Brausetabletten (ein Röhrchen für 15 Euro!) "verpasst".„...

Meine Antwort:
Da sieht man leider wie wenig Ahnung der gemeine Mensch von (Zahn)Medizin hat! Bei Menschen die häufig viel reden müssen, die überwiegend durch den Mund atmen (ist bei Magensonde wohl der Fall!), deren Speicheldrüsen funktionslos sind oder entfernt werden mussten, wird die kariesprotektive Wirkung des Speichels vermindert, oder fällt ganz aus. Da kann man regelrecht zusehen wie Karies die Zähne zerstört! Folglich ist bei Komapatienten mit Magensonde regelmäßige Zahnuntersuchung, evtl. Füllungen, Speichelersatz (das waren wahrscheinlich die „Brausetableten) unbedingtes MUSS! Eher solltest Du froh sein, daß es an der Klinik in der deine Mutter liegt/lag kompetente Ärzte gab/gibt die das beachten/beachtet haben! Wenn es um die „Schmalspur“ Zahnmedizin geht sind die meisten (Allgemein)/(Krankenhaus)Mediziner bei weitem nicht so kompetent!
Oder:
DerSchreiber
„Zahnarzt: Schaut in den Mund und sieht keinen Zahnbelag aber kann dann schon die entfernung von Zahnbelag in Rechnung stellen, und das jedesmal.“

Meine Antwort:
Völliger, kompletter, von jeglicher Kenntnis unbeleckter Unfug!
Zahnsteinentfernung (= Entfernung HARTER Zahnbeläge) (BEMA Position 107; Kürzel: Zst; 16 Pkte ( ~ 14 €) ) ist (seit 2004) NUR EINMAL (1x) IM JAHR Leistung der gesetzlichen kranken Kassen!
Das wird bei der Eingabe im Rechner vom BEMA-Modul der KZBV geprüft, bei der Abrechnung von der KZV und noch mal bei den anlasslosen Stichpunktprüfungen der Kassen, also insgesamt 3 mal!
Die Entfernung WEICHER Beläge ist KEINE Kassenleistung! (Das macht der gesetzlich Versicherte gemäß seiner Pflicht zur Gesunderhaltung (nach Sozialgesetzbuch) zu Hause mit der Zahnbürste!)


Und das sind nur einige Besipiele!
Ich hoffe nur die derartig ahnungslosen Versicherten kennen die Bedingungen iher Kfz- oder Hausratversicherung besser!
Es ist ein unglaubliches Trauerspiel wie sehr die Medien gerade (aber wahrscheinlich nicht nur hier) im Bereich Gesundheitssystem politische Propaganda und Verhetzung betreiben, und genauso traurig ist es zu sehen wie die Bürger darauf hereinfallen!
Da scheint Thilo Sarrazin - wenn auch in einem ganz anderen Gebiet - doch recht zu haben mit seiner Überschrift "Deutschland schafft sich ab!"

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