Montag, 3. Oktober 2011

"Gesundheits"karte zum x-ten Mal

Nun ist es endlich soweit, die "Gesundheitskarte", auch egK, eCard, wird tatsächlich an die Versicherten verteilt!
Und schon überschlagen sich die Medien wieder mit Lobeshymnen auf dieses "weltweit größte IT-Projekt"!

Aber was ist dran? Welche Vorteile haben Versicherte, Ärzte und Kassen tatsächlich davon?
Bisher! Keine!

Da werden die "Notfalldaten" die auf der Karte gespeichert werden können, hervorgehoben, doch sind die tatsächlich nützlich?
Stellen wir uns doch einmal einen ECHTEN Notfall vor, entweder nach einem Auto-, Betriebsunfall, eine Notsituation in der Wohnung!
Der gerufene Notarzt kommt, ein oder mehrere Verletzte, Bewußtlose!
Und nun soll der Arzt erst nach der Karte suchen? Hat der Patient sie überhaupt dabei, wo ist sie, im Auto, in der Jackentasche, der Geldbörse, Hosen-, Handtasche (und welcher?), im Schrank, Schreibtisch, ......?
[Vielleicht sollte man noch gesetzlich vorschreiben WO die Karte "AM Mann" aufzubewahren ist, z.B. Hosentasche; wird aber schwierig bei taschenlosen Kleidern, Badehose oder Badeanzug, Bikini! :) ]
(Und dann stellt sich - nachdem die Karte endlich gefunden wurde - heraus, ausgerechnet dieser Patient hat keine Notfalldaten speichern lassen! Ist dann auch egal, DIESER Patient braucht dann eh keine Versorgung mehr, nur noch nen Totenschein!)
Und, kann sich der Notarzt - wenn denn die Karte schell gefunden und schnell ausgelesen wurde - auf die Daten verlassen? Weiß er ob nicht seit Speicherung der Daten eine zusätzliche Erkrankung z.B. eine Allergie, dazugekommen ist, bloß noch nicht gespeichert? NEIN, weiß er nicht, kann sich also nicht darauf verlassen!
Die Konsequenz: Ein Notarzt wird erst garnicht nach der Karte suchen, sondern sich SOFORT - und das ist richtig - um den Patienten kümmern, millionenfach erprobte Notfallmaßnahmen ergreifen um das Leben des Patienten zu retten und ihn soweit stabilisieren, daß man ihn ins nächste Krankenhaus zur Weiterbehandlung transportieren kann!
Dafür braucht es KEINE eCard!

Im Gegenteil, ein Notarzt der Zeit mit der Suche nach "Notfalldaten" verschwendet, handelt grob fahrlässig gefährdet das Leben des Patienten und gehört sicher nicht in diesen Dienst!

Ergo: Die "Notfalldaten" sind ein Märchen um die Akzeptanz der Karte zu fördern (es hört sich ja so toll an!) auf das auch sämtliche Medien hereinfallen!

Weiteres Thema! Der Schutz der Daten durch die PatientenPIN!
In den Testregionen konnten sich sehr viele Menschen die PIN nicht merken, was zu Problemen führte, da beim Einlesen der Karte der Patient die PIN selber eingeben MUSS!
Als Lösung wurde vorgeschlagen beim jeweiligen Arzt/der jeweiligen Praxis dann doch behelfsweise die PIN zu hinterlegen! Dazu:
1. gerade Ältere sind in der Regel "Dauergäste" nicht nur bei einem Arzt. Folglich wird die PIN wohl bei mehreren Ärzten hinterlegt, wodurch die Sicherheit der PIN erheblich sinkt! (Man stelle sich nur EINE kriminelle Mitarbeiterin vor, den Verlust der Liste durch Diebstahl, Einbruch oder hacken des Praxiscomputers!)
2. führt es zu MEHR - unbezahlter (!)  - Bürokratie für die Praxis (wie war das noch mit Bürokratieabbau?).
Desweiteren bedarf es einer Art GeneralPIN für Notärzte (warum das Unfug ist, s.o.) und Krankenhäuser, damit diese die Karte lesen können, wenn der Patient bewußtlos ist und die PIN nicht selbst harausgeben kann!
Auch dies ein erhebliches Sicherheitsrisiko, denn wer kann garantieren, daß mit dieser GeneralPIN kein Schindluder getrieben wird!? Eine solche GeneralPIN dürfte auf dem schwarzen Markt schnell einiges wert sein! Und, ALLE Menschen sind korrupt, es kommt nur auf den Preis an! (Weiß nicht von wem das stammt!)
Es reicht EIN Krankenhausmitarbeiter der die Nummer kennt, der in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt, der (nach seiner Meinung) ungerechtfertigt gekündigt wird, etc. pp. - der Möglichkeiten sind viele - und schon ist eine PIN mit der ALLE Karten ausgelesen werden können nicht mehr geheim!
Wenn nun noch - wie ja eigentlich geplant - die gesamte Krankengeschichte der Versicherten, inklusive Arztbriefe, Diagnosen, Röntgenbilder, Medikamenten, Vorerkrankungen etc., auf zentralen Servern gespeichert ist, kann der Besitzer einer solchen GeneralPIN auf die Daten JEDES Versicherten zugreifen (und evtl. sogar ändern!!!!!).

Was würden wohl Arbeitgeber für eine solche PIN (unter der Hand) zahlen?
Dann heißt es - wie schon Karikaturen schön darstellen - beim Bewerbungsgespräch: "Auf ihre Bewerbungsunterlagen können wir wohl verzichten! Haben Sie ihre eCard dabei?"
(Oder noch besser, man reicht gleich unaufgefordert die eCard rüber! Das wird sich nach kurzer Zeit ganz genauso einspielen!)

Auch bei Versicherungen (speziell bei Abschluß von Lebensversicherungen) und Banken (Kredite!) wären diese Daten und die PIN heiß begehrt!
Da nützen dann auch die besten abgestuften Zugriffsberechtigungen für Kassen und Ärzte NICHTS!

Nächster - angeblicher - Vorteil: Vermeidung von teuren "Doppeluntersuchungen"!
Für diese "Doppeluntersuchungen" zahlen die Kassen NICHTS!
Die Kassen zahlen Pauschalen an die KV-/KZVen. Durch Mehrfachuntersuchungen wird lediglich dieser Kuchen anders verteilt, die Stücke werden kleiner, mehr nicht! Ein Arzt der tatsächlich Mehrfachuntersuchungen macht profitiert davon nicht und schädigt die Kollegen, NICHT die Kassen!
Aber das will anscheinend absolut nicht in die Köpfe von Politikern und Journalisten! (Wahrscheinlich wissen sie es sogar, halten dieses Märchen aber aufrecht, weil damit so schön den Ärzten Geldgier unterstellt werden kann!)
Mehrfachuntersuchungen können sinnvoll sein/sind sinnvoll!
1. muß sich jeder Arzt selbst vom Zustand des Patienten überzeugen, er darf sich nicht blind auf die Befunde und Diagnosen des Kollegen verlassen!
2. wenn einem Arzt Voruntersuchungen nicht ausreichend erscheinen, muß er weitere Untersuchungen veranlassen! Das kann aber nur der jeweilige Arzt entscheiden, niemand sonst!
Auch dieser - angebliche - Vorteil der Karte ist also nur vorgeschoben und in Wirklichkeit keiner!

Stichwort: Bessere Vernetzung der Ärzte untereinander!
Wie soll die eCard die Vernetzung der Ärzte verbessern? Auf der Karte sind, außer den auch heute schon gespeicherten Daten (Name, Anschrift, Geburtsdatum, Krankenkasse, Versichertennr. und evtl. demnächst die "Notfalldaten"), keine Daten!
Die eCard allein bringt da garnichts, das funktioniert NUR im Zusammenspiel mit elektronischem Heilkundeausweis (der dem Arzt Zugriff auf die zentral gespeicherten Daten erlaubt) und einer zentralen Speicherung der Krankenakte!
Das muß man sich ungefähr so vorstellen:
Der Patient gibt SEINE PIN (oder auch nicht, s.o.) ein, wodurch er Zugriff auf seine Karte gewährt. Der Arzt steckt seinen eHealthausweis in einen zweiten Slot des Terminals und gibt SEINE eHealthPIN ein, wodurch er seine Berechtigung auf die Karte UND die zentralgespeicherten Daten zuzugreifen, nachweist.
Dann wird die Verbindung zum Server aufgebaut (wegen der Sicherheit mittels VPN) und dann kann der Arzt die Krankenakte einsehen und gegebenenfalls ergänzen oder ändern!
(Pech nur, wenn die Server abstürzen, der Strom ausfällt (womit wir dank Regierungspolitik zukünftig wohl rechnen müssen!), im Programm ein Fehler steckt, die Datenleitung zusammenbricht usw. usw.; alles schon (persönlich) gehabt!)
Damit das sinnvoll genutzt werden kann, muß in den Praxen in jedem Behandlungszimmer ein Rechner stehen, der (evtl. via Intranet; was die Fehleranfälligkeit erhöht, welches Netz ist tatsächlich immer stabil?) auch ins Internet kann, oder die Daten werden vom Server heruntergeladen (was bei der Datenmenge die Röntgenbilder, CTs, MRTs .... umfassen, einiges an Zeit in Anspruch nimmt) oder sie werden ausgedruckt! (Wo bleibt da die Bürokratie- und Papierersparnis?)
Am wahrscheinlichsten erscheint mir, daß die Daten auf den Praxisrechner heruntergeladen werden. Alles andere ergäbe zusätzliche Probleme und Fragen (Gleichzeitige Behandlung mehrerer Patienten, Bandbreite der Leitung etc.).
Damit wäre aber eine Kopie der gesamten Krankenakte in jeder Praxis, in jedem Krankenhaus das der Patient aufsucht, vorhanden und kann folglich auch bei Datenleck, bei Hack, oder (wie das bei den Steuerdaten aus der Schweiz war (Stichwort: SteuerCDs) ) auch von einem Mitarbeiter kopiert und nach außen befördert werden!

Nun kann man einwenden, daß es doch unterschiedliche Zugriffsberechtigungen gibt, daß die Kassen nicht auf die Befund- und Diagnosedaten zugreifen dürfen, der Zahnarzt nicht auf die gynäkologischen Daten, usw. usw.
Doch, 1. wer legt fest welche Daten in welche Kategorie gehören und wer darauf zugreifen darf? Für den Laien mag es unverständlich sein, warum z.B. der Zahnarzt die gesamte Medikation kennen muß, warum  die Allergien, Herz-, Kreislauferkrankungen, evtl. auch psychische Erkrankungen für die zahnärztliche Behandlung von Belang sein können, aber dem Fachmann ist das klar und einsichtig! Was bedeutet, daß eigentlich jeder Arzt auf die gesamte Krankenakte Zugriff haben muß - Krankenhäuser sowieso! Womit wir eine enorme Anzahl Zugriffberechtigter auf die gesamte Akte haben, da werden Fehler nicht ausbleiben!
2. die Erfahrung lehrt, daß ALLE Sicherheitsvorkehrungen früher oder später von daran Interessierten geknackt werden und da soll ausgerechnet die eCard, bzw. sollen die zentralen Server eine Ausnahme bilden?
Bei der derzeitigen Daten"speicherung" in den Praxen (ob auf Karteikarte oder im Rechner) geht bei Verlust nur ein Teil der Daten verloren, kann nur ein Teil mißbraucht werden! Mit der zentralen Speicherung ändert sich das, wie ich oben gezeigt habe, plötzlich ist die gesamte Krankenakte mißbräuchlichem, verbrecherischem Zugriff ausgesetzt! Und nicht zuletzt die Kassen haben ein enormes Interesse an diesen Daten. Da kann man so wunderschöne Dinge mit anstellen, wie persönliche, familiäre, regionale, geschlechts-, und altersspezifische Profile zu erzeugen, und daraus die Gewährung oder Versagung einer Kostenübernahme ableiten, mittels spezieller "Angebote" Einfluß auf die persönliche und familiäre Lebensführung (Ernährung"beratung", "Empfehlung"sportlicher Aktivität, usw.) nehmen!
(Zunächst wird es bei "Empfehlungen" bleiben, doch über kurz oder lang werden die Kassen - unter dem Anspruch Versichertengelder "sparen" zu müssen - verlangen und bekommen, daß diesen "Empfehlungen" bei Uneinsichtigkeit auch Sanktionen folgen! Ich verweise nochmal auf meine Ausführungen zu "Schöne, neue Kassenwelt!" und die Satire "Pizzabestellung im Jahr 2015")

Und noch immer haben wir keine bessere Vernetzung der Ärzte, keinen Vorteil für den Versicherten, aufgefallen!? Aber eine Vielzahl neuer Fehlerquellen, neuer Begehrlichkeiten, neuer Überwachungs-,Kontroll- und "Steuerungs"möglichkeiten für die Kassen!

So beantwortet sich die Frage cui bono (wem nützts?) beinahe von selbst! Den Kassen (s.o.) und - sogar an allererster Stelle - der IT-Industrie!
Die freuen sich auf die Milliarden die Ihnen Hardware, Software, Wartung und - noch garnicht angesprochenen - "Mehrwerte" der Karte in die Kassen spülen!

In einer Zeitung wird der Bundesdatenschutzbeauftrage damit zitiert, daß die Probleme mit der egK jetzt beseitigt wären! Haha! Schön wär's!
Sind sie nämlich nicht!

Die KZV-WL (und wohl nicht nur die) hat festgestellt, daß auf vielen neuen Karten aufgedruckte und gespeicherte Versichertennr. NICHT übereinstimmen.
(Es wäre mal zu überprüfen, ob die gespeicherte Nummer vielleicht eventuell mit der TIN (Steueridentifikationsnummer) übereinstimmt!? Ich habe da so einen Verdacht! Wenn sich der bewahrheitet, versucht man gerade durch die Hintertür aus der TIN eine - vom BVerfG klar und eindeutig verbotene - Personenkennziffer (PKZ) zu machen! Was ja wohl von vornherein so gedacht war! Das wäre ein eindeutiger Verstoß gegen Verfassungsrecht!)

Mein Praxisprogrammhersteller rät mir, vorläufig das neue eTerminal NICHT zu nutzen (entgegen den gesetzlichen und Kassenvorgaben), da sich herausgestellt hat, daß wohl auf nicht wenigen Karten NICHT zugelassene Chips sitzen!
(Das eTerminal überprüft nämlich ob der Chip zertifiziert ist und verweigert das Einlesen eines nicht zertifizierten Chips und streikt danach häufig ganz!)
Das muß man sich mal vorstellen! Da wird mit Riesenaufwand und -kosten eine Zertifizierung der Chips für verschiedene Anwendungen (Geldkarte, Gesundheitskarte, Tankkarte, Mensakarte.......) durchgeführt, und dann versuchen die Kassen zu sparen (für Gesundheitskarte zertifizierte Chips sind teurer) in dem sie nicht zugelassene Chips verwenden, oder die Hersteller versuchen zu betuppen und liefern statt der bestellten zertifizierten, nicht zugelassene Chips! Und das fällt nicht den Kassen auf, sondern den Softwarelieferanten!?

Und das war sicher noch nicht alles! Mal sehen was noch kommt!
Wie war das noch mit dem "weltweit größten IT-Projekt"?
Warum erinnert mich das an das "zweitgrößte IT-Projekt", an die LKW-Maut und Toll Collect (die bei der eCard übrigens auch mit im Boot sitzen)?