Samstag, 28. Februar 2009

Abschied vom Chaos des SGB V


"Abschied vom Chaos des SGB V
von Carlos A. Gebauer
­ Zufrieden waren die Deutschen mit ihrem Gesundheitswesen schon lange nicht mehr. Über die Jahrzehnte der ununterbrochenen Reformen hatte sich zunehmend die Erkenntnis durchgesetzt: Hier stimmt etwas nicht. Trotz der politisch verbreiteten Nachricht, Deutschland habe das beste Gesundheitssystem weltweit, wuchsen die Zweifel. Patienten bemerkten die Verteuerung ihrer Beiträge ebenso wie die Leistungsreduzierung. Ärzte und Pflegepersonal klagten über bürokratische Mehrarbeit und finanzielle Einbußen. Die Handlungsspielräume der Apotheker wurden beschnitten und das Gefühl, medizinisch gut aufgehoben zu sein, schwand. Schließlich mussten auch die Krankenkassen zugeben, ihren Versicherten eben nur eine „ausreichende“ Versorgung zu garantieren. Wie sollte dies aber mit dem Selbstverständnis des „besten Gesundheitssystems weltweit“ noch vereinbar sein? Und wie waren die permanenten Milliardenverluste zu erklären, obwohl doch alle inzwischen mehr als 15% ihrer Einkünfte – rund zwei Monatsgehälter pro Jahr – an das System zahlten?
Mit beeindruckenden Imagekampagnen warb das Bundesgesundheitsministerium gleichwohl weiter für seinen bisherigen Weg. Unermüdlich wurde verbreitet, man befinde sich auf dem Weg in die medizinische Sozialgerechtigkeit. Die jüngsten Änderungsgesetze hatten allerdings eine Komplexität erreicht, die niemand mehr seriös erfasste. Den Betroffenen wurde deutlich, dass ein Selbstheilungsprozess aus diesem System selbst nicht mehr zu erwarten war.
Vor diesem Hintergrund nahm im Frühjahr 2008 eine – inzwischen erheblich gewachsene – Gruppe aus Ärzten, Zahnärzten, Apothekern, Juristen, Journalisten, Verwaltungsexperten und Verbandsvertretern in Hannover die Arbeit auf, um nach einem Weg aus dem mittlerweile unübersehbaren Chaos des Fünften Sozialgesetzbuches zu suchen. In dem Bestreben, nach ungezählten Protesten, Demonstrationen und Kritiken zeitnah eine substantielle Befreiung des Systems aus den Fesseln der Überverwaltung zu erreichen, beschloss die Gruppe unter dem Arbeitstitel „Gruppe Luisenhof“ Anfang Februar 2009, einen positiven
Gegenentwurf zum SGB V zu präsentieren.
Die Skizze zu einer außerparlamentarischen Gesetzesinitiative hat im Kern folgenden Inhalt:
Das SGB V tritt zum 31. Dezember 2010 insgesamt außer Kraft.
Jeder Einwohner Deutschlands wird grundsätzlich einer Krankenversicherungspflicht unterworfen. Von dieser kann er sich nur unter ausdrücklichem und unwiderrufbarem Verzicht auf jedwede staatliche Leistung im Krankheitsfalle befreien lassen.
Die Versicherung muss über eine in Deutschland zugelassene Versicherungsgesellschaft erfolgen, die der staatlichen Aufsicht unterliegt. Korrespondierend zu der allgemeinen Versicherungspflicht für jedermann besteht seitens der Versicherungsgesellschaften Kontrahierungszwang. Jeder Patient hat ein Anrecht darauf, bei jeder Gesellschaft ohne Rücksicht auf Alter und Vorerkrankungen zu dem dortigen, einheitlichen Beitrag versichert zu werden.
Alle heutigen gesetzlichen Krankenkassen werden mit Wirkung zum 1. Januar 2011 vergesellschaftet. Sie erhalten eine zivilrechtliche Rechtsform. Eigentümer der Versicherungsgesellschaft sind ausschließlich die bei ihr versicherten Personen. Als Verbraucher bestimmen die Patienten innerhalb dieser Gesellschaften den Umfang ihres Versicherungsschutzes demokratisch selbst. Die dann zivilrechtlich organisierten neuen Versicherungsgesellschaften treten mit den bisherigen Privatversicherern in freien Wettbewerb.
Sämtliche Leistungen werden fortan transparent unmittelbar von Ärzten, Krankenhäusern, Apothekern und sonstigen Leistungserbringern mit ihren Patienten selbst abgerechnet. Patienten reichen erhaltene Rechnungen zur Prüfung und Zahlung an ihre Versicherung weiter. Alle bisher zwischengeschalteten Organisationen und Institutionen der mittelbaren Leistungsabrechnung werden aufgelöst. Ihre Vermögen werden liquidiert und Überschüsse an ihre Mitglieder ausgezahlt.
Die Versicherten legen neben dem Umfang ihres Versicherungsschutzes und dem von ihnen hierzu gewünschten medizinischen Leistungskatalog zugleich die Höhe ihrer Versicherungsbeiträge durch Gesellschafterbeschluss fest. Erweist der Jahresabschluss ihrer Gesellschaft einen Überschuss, bestimmen sie, ob dieser erstattet oder den Rücklagen zugeführt wird. Haben sie den Beitrag zu gering taxiert, haben sie den Fehlbetrag nachzuschießen. Alle Versicherten haben jederzeit das Recht, die Versicherungsgesellschaft unter Klärung ihres Beitragskontos zu wechseln. Entzieht sich ein Versicherter seiner Beitragszahlungspflicht, verdoppelt sich seine Beitragsschuld mit Verzugseintritt unmittelbar. Haben Versicherte mit ihrer Gesellschaft einen zu geringfügigen Versicherungsschutz festgelegt und muss deswegen in einem Behandlungsfall staatlicherseits Sozialhilfe geleistet werden, so hat die Versicherungsgesellschaft des Betroffenen der öffentlichen Kasse deren Aufwendungen aus Mitteln der Versicherung zu erstatten. Die persönlich haftenden Vorstände der Versicherungsgesellschaften haben daher bei der Bemessung des Versicherungsbeitrages das Risiko dieser Regressansprüche versicherungsmathematisch zu prognostizieren und in den Entscheidungsprozess der Versicherten einfließen zu lassen. Kommt gegen die Beratung der Vorstände ein ordnungsgemäßer Beschluss über den erforderlichen Versicherungsbeitrag nicht zustande, werden die Versicherten bis zu ihrem Eintritt in eine andere Versicherung so behandelt, als hätten sie sich von ihrer gesetzlichen Versicherungspflicht befreien lassen.
Versicherungspflichtige, die ihren Krankenversicherungsbeitrag nicht aus eigenen Mitteln aufbringen können, erhalten diesen auf Antrag von ihrem zuständigen Finanzamt aus allgemeinen Steuermitteln bezahlt. Zahlung des Beitrages erfolgt diesenfalls unmittelbar an die Versicherungsgesellschaft. Das Recht der freien Versicherungswahl wird hierdurch nicht eingeschränkt. Selbstzahlenden Versicherungsgesellschaftern wird vorbehalten, das Stimmrecht der steuerlich subventionierten Gesellschafter durch Mehrheitsbeschluss auszusetzen, sofern mehr als 30% der Gesellschafter Steuermittel in Anspruch nehmen.
Innerhalb des neuen Gesundheitssystems herrschen Koalitionsfreiheit und offene Preisfindung. Jedem Teilnehmer an dem System ist gestattet, jederzeit mit jedem anderen Teilnehmer freiwillig jedwede ihnen sinnvoll erscheinende Vereinbarung zu treffen. Staatliche Eingriffe beschränken sich auf die Überwachung der Ordnungsmäßigkeit aller Abläufe, auf die Gewährung allgemeinen Haftungs-, Straf- und Kartellschutzes sowie auf die förmliche Koordination des Kammerwesens.
Niemand hat fortan mehr das Recht, die Rationierung medizinischer Leistungen zu verfügen, wenn er nicht selbst, unmittelbar und persönlich ebenfalls derselben Beschränkung unterworfen ist. Politische Interventionen aus wahltaktischen Gründen müssen unmöglich werden.
Die Arbeit der „Gruppe Luisenhof“ wird enden, wenn das neue Gesetz endgültig formuliert und sodann parlamentarisch verabschiedet ist."
Der Link zum Text Achtung! Gibt vorher eine Werbeeinblendung!
Na das wär' doch mal was! Vielleicht noch nicht ganz ausgegoren, aber ein guter und vielversprechender Anfang! Würde alle Probleme des "Gesundheitssystems" auf einen Schlag lösen!
Es gibt da leider ein paar kleine Probleme:
1. Ulla Schmidt und andere Sozialutopisten weiter links von ihr; niemals werden Sie ihren Traum von einem zentral verwalteten, sozialistischen Zwangssystem aufgeben. Hieße es doch dem Bürger (Versichertem) Mündigkeit und Verantwortung zuzutrauen. Für Sie, und andere Oberlehrer, (dies ist nicht gegen die Lehrer in unseren Schulen gerichtet, die dort einen häufig verd....... harten Beruf ausüben!) haben Sie die Weisheit mit Löffeln gefressen und nur Sie ganz allein wissen was für alle anderen gut ist.
2. Kassenfürsten. Hieße die Verwirklichung des Vorschlags der "Gruppe Luisenhof" doch die Vertreibung aus dem Paradies der hohen Vorstandgehälter, bei null Risiko, mit Dienstwagen, bezahlten Mallorca-Ausflügen (AOK!), und Zusatzrente. Außerdem, wo wollten Sie hin mit ihrem Machthunger und ihrer Leidenschaft für Verdrehungen, Lügen und sonstige Propaganda? Zurück auf die Parteiposten von denen man sie glücklich "fortbefördert" hat? (Es können ja nicht alle abgehalfterten Politiker nach Brüssel geschickt werden!)
3. Die KV/KZV-Vorstände. Eben noch mühevoll von Ulla zur "Professionalisierung" ihrer Arbeit vom Ehrenamt zum "Hauptamtlichen" mit dementsprechenden Bezügen gemacht (wobei diese die Ärzte und Zahnärzte bezahlen), und jetzt, nachdem man sich glücklich mit der Abhängigkeit von der Aufsichtsbehörde arrangiert hat, wieder hinaus in die Unsicherheit? Na, ich bitte Sie, das kann man doch nicht machen! Oder?
4. Die Versicherten. Leider gehören die auch zu denen, die der obigen Lösung mit Sicherheit energischen Widerstand entgegensetzen werden. Hat man Ihnen doch jahrzehntelang erzählt, Sie bräuchten sich um Nichts zu kümmern, keine Verantwortung zu übernehmen, der Staat, respektive die Krankenkasse wäre dafür zuständig, würde sie "vollkaskomäßig" umsorgen. Und jetzt sollen sie plötzlich mit"denken", sich kümmern? Nein, das ist zuviel verlangt in unserem Pisa-geschädigten Deutschland. Das wäre ja wie, wie beim Auto! Und soviel Selbstverantwortung beim Thema eigene Gesundheit ist dem Deutschen Michel nicht zuzumuten (wie höchstrichterlich ja bestätigt wurde!).
Schade, es hätte so einfach (und so kostengünstig) sein können!

Neue Kassenwelt

Heute mal ein interessanter Artikel von Stern.de zum Thema "Gesundheitsfonds":


"Stern.de E-Booklet: Fit für den Gesundheitsfonds
20.02.2009, 12:29 Uhr
Gesundheitsfonds:
Seiten 1 2
Fonds zwingt Kassen zum Umdenken

Von Lukas Heiny
Für die Krankenkassen beginnt mit dem Gesundheitsfonds eine neue Ära. Im verschärften Wettbewerb suchen sie nach neuen Strategien und Geschäftsmodellen - und nach dem perfekten Versicherten.
Hinter der schweren Holztür von Raum H 3.22 befindet sich das "Cockpit". Von hier aus können alle 18 Millionen Anrufer, die jedes Jahr ihre Krankenkasse sprechen wollen, zu einem freien Callcenter-Mitarbeiter geleitet werden. Einfach per Mausklick. Über den Flachbildschirm unter der Decke flimmert sekundengenau die Statistik: 18.293 Versicherte haben heute eine der Servicenummern der Techniker Krankenkasse (TK) gewählt. 1522 Anrufer wurden aus der Leitung gedrängt. Wegen Überlastung. "Da hatten wir zu wenig Hände am Telefon", sagt Stephan Bartels, der zuständige Referatsleiter. In diesem Augenblick hört ein Anrufer seit 1:07 Minuten die Wartemelodie im Telefon. Per Klick wird er zu einem freien Callcenter-Mitarbeiter in Leipzig geschoben.

Seit wenigen Wochen ist Service noch wichtiger als früher. Denn neue Kunden zu werben dürfte schwieriger werden in den kommenden Monaten, trotz teurer Werbekampagnen. Die deutschen Krankenkassen stellen sich auf harte Zeiten ein. "Entscheidend wird die Kundenbindung", sagt TK-Vorstandschef Norbert Klusen, der zwei Stockwerke über dem Cockpit residiert.
Gigantische Veränderung
Jeder Versicherte ist Geld wert, auch für die TK, die größte Kasse der Republik. "Der Gesundheitsfonds trifft uns heftig", sagt Klusen. "Wir haben 2009 weniger Geld zur Verfügung als noch 2008."

Seit Anfang Januar ist der Gesundheitsfonds scharf geschaltet. Nichts hat das Geschäft der rund 200 Krankenkassen je stärker verändert als diese gigantische Umverteilungsmaschine. 168 Milliarden Euro fließen nach neuer Logik aus dem Fonds auf ihre Konten. Das zwingt sie, sich neu aufzustellen: neue Strategien, neue Zielgruppen, neue Geschäftsmodelle. Eine neue Ära. Zentral ist dabei die neue Formel, nach der das Geld verteilt wird - der morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich, kurz Morbi-RSA. Jeden Monat erhalten die Kassen für jeden Versicherten eine alters- und geschlechtsabhängige Pauschale sowie Zuschläge für 80 ausgewählte Krankheiten zwischen 20 Euro und 5000 Euro.
Radikaler Bruch
Es ist ein radikaler Bruch mit der Jahrzehnte alten Systematik der gesetzlichen Krankenversicherung. Wegen dieser Zuweisungen steht die bisherige Geschäftsstrategie der Kassen, vor allem junge, gesunde und gut verdienende Kunden anzulocken, infrage. "Gute Risiken sind nun Versicherte, die Sie gut steuern können. Das ist ein Paradigmenwechsel", sagt Achim Kolanoski, Vorstandschef der Deutschen BKK.


In den Vorstandsbüros der Kassen führt die Logik des Fonds zu einem Umdenken. Nun könnten erstmals Kranke Gewinn bringen - wenn sie für weniger Geld versorgt werden können, als die Zuweisungen für sie einbringen. Die Manager starten die Suche nach dem perfekten Risiko, dem goldenen Versicherten.
Suche nach dem goldenen Versicherten
"Im Controlling haben wir nun ein neues Benchmark", sagt Axel Schönewolf, Leiter Controlling bei der Deutschen BKK. "Man kann für jeden Versicherten ein Konto aufmachen, mit Soll und Haben. So detailliert war das vorher nicht möglich." Auf dieser Basis wollen die Kassen in Zukunft neue Businesspläne austüfteln, Versorgungsstrukturen aufbauen - und gezielt lukrative Kunden anwerben. Das ist die Theorie. In der Praxis sind die Kassen noch nicht so weit. Den Mathematikern und Statistikern fehlt das Werkzeug, um wirklich für jeden Versicherten einen Deckungsbeitrag zu berechnen. Die Einnahmen lassen sich wegen des Fonds genau zuordnen - die Ausgaben noch nicht. "Wir müssen die Daten der einzelnen Sektoren zusammenführen, um eine komplette Versorgungsanalyse durchführen zu können", sagt Schönewolf. Das brauche Zeit. Noch stehen die Kassen am Anfang. "Wir hatten über Jahrzehnte eine Kultur von Kennzahlen. Ich wusste immer, wo wir stehen", sagt Rolf Hoberg, Vorstandschef der AOK Baden-Württemberg, die jeden Monat 785 Millionen Euro aus dem Fonds bekommt. "Die neue Zahlenwelt ist dagegen noch völlig unerprobt." Während sich die direkten Behandlungskosten noch klar zuordnen ließen, sei man bei chronisch Kranken auf neuartige Schlüsselungen angewiesen. Hoberg hat alle Analyseteams im Haus verstärkt, EDV eingekauft, Mediziner ins Controlling versetzt. "Aber erst in zwei Jahren werden wir eine solide Deckungsbeitragsrechnung haben", schätzt er. Bis dahin steuert er die fünftgrößte Kasse Deutschlands auf Basis grober Schätzungen.
"Es geht nur ums Überleben"
Den anderen Kassenchefs geht es kaum besser. "Noch weiß keine Kasse, wo sie wirklich steht", sagt der Essener Gesundheitsökonom Jürgen Wasem. Bislang beruhen die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds auf Zahlen von 2006. Bereits ab April werden die Finanzströme aus Daten des Jahres 2007 berechnet. "Die Haushalte der Kassen sind damit schon heute Makulatur", so Ingo Kailuweit, Chef der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH). Und Frank Neumann, Vorstandsvorsitzender der Direktkrankenkasse BIG, sagt: "Bis die endgültigen Daten vorliegen, stochern wir im Dunkeln." Die Jagd nach den perfekten Versicherten beginnt erst noch.

In der Branche gilt 2009 als Übergangsjahr. "Es geht nur ums Überleben, irgendwie durchkommen", sagt der Vorstand einer kleinen BKK. Von einem "Stillhalte-Wettbewerb" spricht TK-Chef Klusen. "2009 wird das Jahr der Buchhalter, nicht das Jahr der Versorger", warnt Herbert Rebscher, Chef der Deutschen Angestellten-Krankenkasse. Mit Sorge beobachten die Kassenmanager derzeit ihre Kontostände. Ihre größte Sorge gilt der ausreichenden Liquidität. Wegen der begrenzten Spielräume drohen Insolvenzen und Zwangsfusionen. Im ersten Halbjahr werden sich noch viele Kassen am Markt halten können, doch dann könnte es losgehen.
Erste Kassen vor Problemen
Richtig eng wird es etwa für die City BKK. Seit am Neujahrstag der Bescheid über die monatlichen Zuweisungen aus dem Bundesversicherungsamt in der Post lag, ist klar: Es geht nicht mehr. "Wir kriegen zu wenig. Die Zuweisungen decken unsere Kosten nicht", sagt Vorstandschef Herbert Schulz. "Das halten wir so nur wenige Monate durch." Mit einem Beitragssatz von 17,4 Prozent war die City BKK bis vor Kurzem die teuerste Kasse Deutschlands. Ein Sammelbecken alter, schwer kranker und damit teurer Versicherter, die fast alle in den hochpreisigen Versorgungsgebieten Hamburg und Berlin leben.

Zwar erhält die Kasse nun für diese Kranken erhöhte Zuweisungen, doch das reicht nicht. Für andere Kassen, die die regionale Konzentration über die Fläche besser ausgleichen könnten, seien seine Versicherten dagegen attraktiv, sagt Schulz. Zum April strebt er daher eine Fusion an. Sonst müsse er als erster Kassenchef Deutschlands einen Zusatzbeitrag erheben.
Zusatzbeitrag oder Fusion
Um kurzfristig mehr Geld zu bekommen, bleiben nur zwei Wege: ein Darlehen vom Gesundheitsfonds, das 2010 oder 2011 zurückgezahlt werden muss, oder Zusatzbeiträge. Im Bundesversicherungsamt rechnet man mit 20 Kassen, die im Laufe des Jahres einen Zusatzbeitrag erheben müssen. In der Branche geht man von deutlich mehr aus - auch wenn die Manager alles tun, um dies zu verhindern. Denn im Wettbewerb um Kunden gelten sie als verheerend. Es gibt Studien, wonach ein Viertel der Versicherten wegen der Zusatzbeiträge die Kasse wechseln könnte. Selbst zehn Prozent wären ein Desaster.


Bis zum Sommer wird es in der Branche daher vor allem darum gehen, die Kosten zu drücken. "Das erste Halbjahr 2009 wird durch einen Überlebenskampf der Krankenkassen gekennzeichnet sein, in dessen Verlauf Liquiditätsprobleme in die medizinische Versorgung durchgereicht werden", prophezeit Thomas Drabinski, Gesundheitsökonom an der Universität Kiel. "Mittelfristig geht es dann darum, ausgewählte Patienten- und Versichertengruppen zu identifizieren und zu steuern." Strategisch dürfte hier das größte Potenzial für die Krankenkassen liegen.
Simples Kalkül
Grundsätzlich sind dabei für die Kassen noch immer die jungen, gesunden Versicherten auch ökonomisch interessant. "Die alte Regel der gesetzlichen Krankenversicherung gilt noch", sagt AOK-Chef Hoberg. "Mit dieser Zielgruppe macht man keine Fehler." Ein finanzielles Desaster sind dagegen Kranke, für die es keine Zuschläge aus dem Fonds gibt. Auch darüber sind sich alle einig. Spannend ist dagegen die Gruppe dazwischen: die Versicherten, für die es extra Zuschläge gibt. Von den 168 Milliarden Euro aus dem Gesundheitsfonds werden immerhin 47 Prozent anhand dieser krankheitsbezogenen Zuschläge verteilt. Ganze Abteilungen rechnen derzeit in den Kassenzentralen mögliche strategische Schritte durch: Welche Versichertengruppen sind ökonomisch attraktiv, wie müssen wir die Kranken steuern - und rechnet sich das?
Gesunde bringen kein Geld
Das Kalkül ist simpel: Ein 25-jähriger gesunder Mann bringt seiner Kasse beispielsweise rund 45 Euro im Monat - maximal. Sobald er einen Skiunfall hat, muss er etliche Jahre Mitglied bleiben, bevor er sich für die Kasse wieder rechnet. Anders ein 78-jähriger Diabeteskranker mit Bluthochdruck: Für ihn erhält die Kasse rund 385 Euro monatlich. Wenn sie es schafft, ihn effizient durchs System zu steuern, kann sie vielleicht 100 Euro sparen.

Um exakt herauszufinden, ob solche einfachen Näherungsrechnungen auch wirklich aufgehen, fehlen allerdings meist noch die Daten. Standardisierte Rechenoperationen und die bereits verfügbare Spezialsoftware reichen nicht aus. Die Kassen müssen ihre Ausgaben bis auf einzelne Kohorten, abgestuft nach Erkrankungsgrad, runterbrechen, um die wahren Deckungsbeiträge zu errechnen. Auch die regional unterschiedliche Vergütung von Ärzten und Kliniken ist einzubeziehen. "Die Deckungsbeitragsrechnung ist eine hochkomplexe Angelegenheit", sagt Gesundheitsökonom Wasem.
Neue Geschäftmodelle
Doch es könnte sich lohnen. Aus diesen Zahlen könnten die Kassen neue Geschäftsmodelle entwickeln - mit entsprechenden Zielgruppen im Fokus der Marketingabteilungen. "Noch locken wir nicht gezielt bestimmte Patientengruppen an. Aber künftig werden wir im Sinne unserer Geschäftsstrategie gezielt Bluthochdruck-, Diabetes- oder Asthmapatienten ansprechen", sagt etwa Deutsche-BKK-Chef Kolanoski. "Aber wenn ich keine speziellen Versorgungsverträge für diese Patienten habe, gewinne ich auch von den hohen Zuweisungen nichts." Er lässt daher zusätzliche Programme entwickeln. "Wir suchen unter der Logik des Fonds gezielt nach Lücken in unserem Portfolio und basteln Verträge." Im dritten Stock der Hauptverwaltung in Wolfsburg sitzen die Controller, Wirtschaftsmathematiker und Mediziner, um diese Strategie umzusetzen. Sechs Experten entwickeln gerade Einzelverträge für Diabetes und Herzinsuffizienz. Es geht darum, Ärzte und Kliniken als Partner zu finden, ein Fallmanagement zu installieren, die Versicherten betreuen und beraten zu können, standardisierte Behandlungspfade zu entwickeln, Arzneimittelrichtlinien zu definieren und gezielte Rabattverträge auszuhandeln.
Noch geht's um Daten
Bewähren sich die Verträge in der Kernregion Wolfsburg, werden sie ausgerollt auf die 10 bis 15 B-Regionen, wo die Kasse einen Marktanteil von 10 bis 20 Prozent hat. Überall sonst sind die Verträge ökonomisch kaum sinnvoll. "Wie alle Kassen kümmern wir uns zurzeit aber noch um Daten, nicht um Patienten", sagt Holger Söldner, Leiter Versorgungsmanagement. Erst wenn die Verträge stehen, startet das Marketing - und versucht gezielt, Patienten als Kunden zu werben.


Neue Kassenwelt
Kräfteverhältnis Nach komplexen Formeln fließen 168 Mrd. Euro aus dem Gesundheitsfonds an die 200 Kassen. Die AOK hat 2009 etwa 2,4 Mrd. Euro mehr zur Verfügung. Die Techniker Krankenkasse dagegen hat weniger Geld - obwohl ihre Versicherten mehr einzahlen.Verlierer Besonders hart sind die BKKs und IKKs betroffen. Experten erwarten, dass vor allem diese kleinen Kassen vom Markt verschwinden. Offiziell wird mit 30 bis 40 Fusionen gerechnet.

Bei anderen Kassen stoßen solche Konzepte auf Kopfschütteln: "Bewusst kranke Kunden anzuwerben ist viel zu riskant", sagt etwa Frank Spaniol, Chef der IKK Südwest Direkt. Die wirklichen Risiken der Patienten seien kaum kalkulierbar. "Den gläsernen Patienten gibt es noch nicht." Ähnlich urteilt BIG-Chef Neumann: "Wenn sich einige Konkurrenten nun auf Chroniker konzentrieren, vor allem auf Diabetiker und Bluthochdruckpatienten, die vermeintlich einfach zu steuern sind, ist das absurd", sagt er.
Die ungeteilte Vision
Selbst bei der TK ist man skeptisch. "Keine Kasse wird gezielt Diabetiker oder Herzpatienten als Kunden anlocken", sagt TK-Chef Klusen. "Über gezielte Behandlungsprogramme die Behandlungskosten von chronisch Kranken deutlich zu senken ist schwierig. In der Fläche kann damit keine Kasse Mengen an Geld sparen." Aus seiner Sicht sind die besten Kunden weiterhin jung und gesund. Nicht zuletzt deshalb sei die TK zu Beginn des Jahres mit der IKK Direkt fusioniert - und habe mehr als 800.000 vornehmlich junge Versicherte aufgenommen, so Klusen. "Unter dem Strich wirkt das wie eine Frischzellenkur für uns."
Spezialisierte Kassen unwahrscheinlich
Die Vision, dass es künftig spezialisierte Kassen für Diabetes, Krebs oder Nierenerkrankungen gebe, teilt man in der Branche nicht. "Es wird solche Spezialkassen nicht geben", sagt KKH-Chef Kailuweit. "Die kleinen Kassen können gar keine entsprechenden Programme entwickeln - und die Großen haben eine so gemischte Versichertenstruktur, dass eine Spezialisierung strategisch nicht sinnvoll ist." Intern jedoch gehe es bei allen darum, die kranken Kunden besser zu steuern. Wenn sich Kassen in der Jagd nach neuen Versicherten spezialisieren, dann auf das herkömmliche Beuteschema. So gehört die IKK Südwest Direkt zu einer Handvoll Kassen, die die Lähmung der Konkurrenz offensiv ausnutzen. In den vergangenen Jahren hatte die IKK vor allem der AOK Saarland die jungen und gesunden Mitglieder abgeworben. Für 2009 rechnet die Kasse mit einem Überschuss im zweistelligen Millionenbereich - und gibt ihn an die eigenen Kunden weiter, in vier Schecks à 25 Euro. Damit ist die Internetkasse eine der ganz wenigen, die Prämien auszahlen. "Wir hatten Angst, dass unsere Kunden sonst zu ihrer alten Kasse zurückwechseln, denn bislang zählte für sie das Preisargument", sagt Vorstandschef Frank Spaniol.
Manipulationsanreize
"Wir haben nun die alleinige Preisführerschaft im Markt. Und im Sommer, wenn die anderen Kassen erste Zusatzbeiträge erheben, werden wir richtig profitieren." 2008 sei seine Kasse um 60.000 auf 340.000 Mitglieder gewachsen, 2009 soll es so weitergehen. Im Fokus stehen dabei weiter Junge und Gesunde. Wie immer. Das Wettrennen um die Kranken läuft zurzeit nur virtuell - in den Datenbanken einiger Kassen. Sie scannen ihre Daten und gleichen sie mit den Diagnosedaten der Ärzte ab, die als Grundlage für die Zuweisungen aus dem Fonds dienen.

Das Ziel: Die Codierungen sollen korrigiert und nach der neuen Logik des Fonds angehoben werden. Wer hier ansetzt, kann die Finanzströme aus dem Fonds umleiten - ohne die eigene Versichertenstruktur zu ändern. "Die Logik des Morbi-RSA hat neue Manipulationsanreize gesetzt", warnt TK-Chef Klusen. Von Korruption sprechen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe. Für massive Proteste sorgt derzeit etwa der Fall der AOK Niedersachsen: Sie hat Tausende niedersächsische Ärzte angesprochen und 10 Euro pro Fall geboten, sollten die Mediziner ihre Patientendaten aus dem Jahr 2008 nochmals überprüfen und gegebenenfalls korrigieren. Insgesamt ergänzten 2688 Hausärzte die Daten von knapp 50.000 AOK-Patienten. "An den Daten hängt eine Menge Geld", hieß es von der Kasse. "Es sollte das Interesse jeder Kasse sein, dass die Abrechnungen richtig sind." Der AOK Niedersachsen war es eine halbe Million Euro wert."


In diesem Artikel ist allein sechsmal (6x) die Rede davon "Kranke/Versicherte besser zu steuern"!
Was mag das heißen?
Geht es darum die medizinische Versorgung der Erkrankten zu verbessern, sie eher geheilt in die Erwerbstätigkeit zurückzubringen oder, bei unheilbaren/chronischen Krankheiten, ihre Lebensqualität zu erhöhen?
Der Artikel verrät es uns!
Es geht ums Geld, ausschließlich und allein ums Geld; und zwar um Geld das die kranken Kassen bei der Versorgung kranker Menschen sparen wollen, wie alle Kassenvertreter hier immer wieder ausführen. Dafür sollen dann "standardisierte Behandlungspfade entwickelt und Arzneimittelrichtlinien festgelegt werden".
Was nichts anderes heißt, als das die Krankenkassen in Zukunft die Therapie (Behandlung) bestimmen, und zwar nach Schablone (standardisiert), nicht der Arzt!
Der wird über Sonderverträge "eingekauft" und muß sich verpflichten die vorgegebene Schablonentherapie durchzuführen, wofür er dann etwas mehr Geld für seine Arbeit bekommt.
(Wenn nach ein paar Jahren dieser Vertrag ausläuft, werden die kranken Kassen - dank Ihres Einkaufmonopols - Ihm aber garantiert die Pistole auf die Brust setzen und verlangen die gleiche Arbeit in Zukunft für weniger Geld zu machen, andernfalls er keinen neuen Vertrag bekommt und dann Versicherte dieser Kasse nicht mehr behandeln darf! - In anderen Bereichen der Rechtsprechung nennt man das glaube ich "ausnutzen einer Monopolstellung" oder schlicht "Erpressung" oder wenigstens "Nötigung"!)
Und außerdem wollen die kranken Kassen "Arzneimittelrichtlinien" festlegen!?!?!?
Also wollen die Kassen bestimmen welches Medikament bei welcher Krankheit angewendet werden soll/darf?
Normalerweise definieren ärztliche Gesellschaften oder Kommisionen, nach Auswertung klinischer, universitärer und praktischer Studien solche Richtlinien. Allein nach Erfolg, erkannten Risiken, Nebenwirkungen etc., zum Wohle des Kranken, ohne Rücksicht auf die finanzielle Ausstattung von Versicherungen!
Wenn die kranken Kassen das tun, dann gibt's nur das einfachste und billigste Mittel (eben nach Behandlungsstandard), und denen ist es völlig wurscht ob der Patient das Mittel verträgt, oder nicht!
Wohin das letztlich führt - und hier kommt dann wieder die eGKarte ins Spiel - wird mit der Bemerkung von Frank Spaniol, dem Chef der IKK Südwest Direkt: "Den gläsernen Patienten gibt es noch nicht!" deutlich. Man bemerke, er sagt "NOCH nicht"!
Entschuldigung, wer jetzt noch glaubt es ginge bei der eGKarte um die Verbesserung der medizinischen Versorgung, dem ist nicht mehr zu helfen!

Dienstag, 24. Februar 2009

GOZ alt / GOZ neu

Aus aktuellem Anlaß muss ich etwas zur GOZ (GebührenOrdnung für Zahnärzte) ausführen.

Die GOZ ist die Gebührenordnung für Privatversicherte, bzw. wenn gesetzlich Versicherte Leistungen möchten, die über die WANZ-Leistungen (Wirtschaftlich, Ausreichend, Notwendig, Zweckmäßig) der kranken Kassen hinausgehen.
Die GOZ wurde 1988 von der Bundesregierung zusammen mit dem Bundesrat geschaffen und gilt seit dem unverändert!
Dazu muss man wissen:
Ärztlichen und zahnärztlichen Leistungen werden in den Gebührenordnungen keine Preise in € und Cent zugeordnet, sondern Punkte.
Jede Leistung hat eine feste Punktzahl.
Das Honorar (der Lohn) für eine erbrachte Leistung errechnet sich aus
Punktzahl der Leistung mal dem Punktwert (in Cent [mit 5 (!) Stellen hinter dem Komma]).
Der Punktwert der GOZ wurde 1988 mit 11 Pfennig (entspricht heute 5,62421 Cent) pro Punkt festgesetzt und seit dem (das sind 21 Jahre!!!!!) NICHT verändert.
Zusätzlich gibt es noch den Steigerungsfaktor, der es – nach Vorgabe der GOZ – erlauben soll, das Honorar der Schwierigkeit anzupassen. Erlaubt ist ein Faktor zwischen 1 und 3,5 (ab 2,5 mit zusätzlicher Begründung). Über 3,5 geht nur mit vorheriger schriftlicher Vereinbarung mit dem Patienten.
Aus den 1988 üblichen Preisen für zahnärztliche Privatleistungen errechnete sich für die GOZ ein durchschnittlicher Steigerungsfaktor von 2,3 (bei eben dem Punktwert von 11 Pfennig).
Der, noch heute meistens verwendete, Steigerungsfaktor 2,3 , entspricht also genau den Preisen von 1988 – von vor 21 Jahren!
Viele Patienten verstehen das leider nicht, und glauben mit einem Faktor von 2,3 hätte ihr Zahnarzt hoch abgerechnet.
Noch einmal zur Klarstellung:
Eine GOZ-Position mit dem Faktor 2,3 berechnet, ist der Preis von 1988!
Ein Beispiel:
1988
GOZ Position 205 (einflächige Füllung) 150 Punkte x 2,3
150 x 11 Pfennig x 2,3
= 37,95 DM (= 19,40 €) *
2009
GOZ Position 205 (einflächige Füllung) 150 Punkte x 2,3
150 x 5,62421 Cent x 2,3
= 19,40 € (= 37,95 DM) *
* inklusive Materialkosten!

(Würden Sie für das Gehalt von vor 21 Jahren die Arbeit von heute leisten?)

Sogar Ulla Schmidt hat eingesehen (was an sich schon erstaunlich ist!) daß die Zahnmedizin seit 1988 große Fortschritte gemacht hat und daher die GOZ 1988 nicht mehr die modernen Möglichkeiten in unserem Fach darstellt. Sie hat deshalb eine neue, moderne GOZ angekündigt und das BMG hat wirtschaftliche Berechnungen angestellt (deren Ergebnis den Erhebungen der Zahnärzte erstaunlich nahe kommt!) und einen Referentenentwurf veröffentlicht.

Doch nun kommt der Hammer!
Statt eine seit 21 Jahren überfällige Anpassung der Honorierung an gestiegene Praxis- und Materialkosten ( rd. 53%) vorzunehmen will Sie die Preise für zahnärztliche Leistungen noch unter den Stand von 1988 senken – teilweise um über 72%!!!!!
(Wobei das BMG die eigenen Berechnungen vollständig ignoriert!)
Damit würde Sie die Entlohnung für private zahnärztliche Leistungen noch unter das Niveau der gesetzlichen kranken Kassen drücken (die auch schon kaum noch kostendeckend sind!).

Dagegen laufen die Zahnärzte Sturm! Mit Recht!

(Allerdings paßt es natürlich genau in Ullas eigentliches Konzept, nämlich alle in eine sozialistische Einheitskasse zu zwingen!)

Und auch die Allgemeinmediziner haben sich dem Protest angeschlossen, weil sie berechtigterweise fürchten, daß die Novellierung der GOZ nur der Testballon für eine gleichartige - und gleichgeartete - „Modernisierung“ der GOÄ (Gebührenordnung für Ärzte) ist.

Ein Wikipedia-Artikel zur GOZ
(Bis auf die Ausführungen zu den zahnärztlichen Gewinnen ist dieser Artikel sehr gut!)

Montag, 16. Februar 2009

KV/KZVen

Seit Jahren geistert immer die gleiche Vorstellung durch die Medien, Foren, Kommentare: Die KV-/KZVen müssten abgeschafft werden, weil sie die Beitragszahler nur viel kosten würden und Monopolorganisationen der Ärzte wären.

Beides ist falsch!

Die Kassenärztlichen, bzw. Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KV/KZV) sind Körperschaften öffentlichen Rechts, die ausschließlich von ihren Mitgliedern, den Ärzten und Zahnärzten bezahlt werden.

(Im Weiteren werde ich ausschließlich von der KZV sprechen, gleiches gilt aber auch für die KVen)

Von jeder Abrechnung die über die KZV läuft, wird dem Arzt ein bestimmter Betrag (variiert zwischen den verschiedenen KZVen) abgezogen, womit dann die KZV betrieben wird.



Wer hier meint, damit würde die KZV ja doch aus Versichertengeldern bezahlt, der meint wohl auch daß ein Chef den Mitgliedsbeitrag für den Sportverein des Arbeitnehmers bezahlt!



Zur Aufgabe der KZV gehört es die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zu gewährleisten. Des weiteren sind die KZVen die Empfänger der pauschalen Summen die die kranken Kassen mit befreiender Wirkung pro Versichertem zahlen. Zur Erläuterung: Pro Kassenmitglied (für die Mitversicherten Familienmitglieder wird nichts gezahlt) zahlt die kranke Kasse einen pauschalen Betrag an die KZV, gleichgültig wieviele Leistungen der Versicherte in Anspruch nimmt. Mehr gibt es nicht: deshalb "befreiende Wirkung".

Aus dieser Summe werden dann die Ärzte bezahlt, kompliziert aufgeschlüsselt nach abgerechneten Leistungen, Punktwert und einem Honorarverteilungsmaßstab (HVM).

Wenn also Versicherte in einem Abrechnungszeitraum mehr Leistungen in Anspruch nehmen als die Pauschalsumme deckt, bekommen die Ärzte einfach weniger Lohn für ihre Arbeit.

(Das erklärt auch warum die vielgescholtenen "Doppeluntersuchungen" die Krankenkassen nicht einen Cent mehr kosten, und auch warum die Benutzung einer Krankenversichertenkarte von mehreren Personen den kranken Kassen bisher so unwichtig war, bzw. warum die Kassen bisher kein Bild auf der Karte für nötig hielten.)

Im Gegensatz zur allgemein verbreiteten Meinung, sparen die KZVen den kranken Kassen also sogar Geld, da dieser Verwaltungsaufwand nicht von den Kassen betrieben und bezahlt werden muß.

Auch ist die KZV keine Monopolorganisation der Ärzte, sondern eine Körperschaft öffentlichen Rechts, die direkt den Landesgesundheitsministerien als Aufsichtsbehörde untersteht.

Aufgrund ihres Status muß die KZV die gesetzlichen Regelungen umsetzen, auch wenn diese den Interessen ihrer Mitglieder entgegenlaufen. Wie weit die Macht der Aufsichtsbehörde geht, zeigen Beispiele der letzten Jahre aus Niedersachsen und Bayern.

In Niedersachsen verzögerten die kranken Kassen die Neuverhandlungen über ausgelaufene Verträge, mit teilweise an den Haaren herbeigezogenen Begründungen, über mehr als drei Jahre. Als es endlich der KZV zu viel wurde, und sie einen "vertragslosen" Zustand erklärte, griff die Aufsichtsbehörde ein, und (Nein, nein! Sie beorderte nicht etwa die Kassen an den Verhandlungstisch!) setzte den demokratisch gewählten Vorstand der KZV ab und setzte einen "Staatskommisar" an die Stelle des Vorstandes. Gleiches Szenario ein paar Jahre später in Bayern.

In der (aufsichtsbehördlich genehmigten) Satzung jeder KV/KZV in Deutschland steht, daß sie für eine angemessene Leistungsvergütung ihrer Mitglieder Sorge zu tragen hat.

Wenn jedoch eine KZV (siehe Niedersachsen/Bayern) diese Satzung ernst nimmt, droht ihr der Staatskommisar.

Selbst wenn zwischen Kassen und KZV ein einvernehmlicher Vertrag geschlossen wird, heißt das noch nicht, daß der auch so Gültigkeit bekommt. Er muß nämlich vom LMG (Landesministerium für Gesundheit) genehmigt werden. Erscheint denen dann die Vergütung der Ärzte zu hoch, wird er einfach abgelehnt.

Insgesamt dient die KZV heute am wenigsten den Interessen ihrer Mitglieder, sondern ist der Politk ein willkommenes Mittel staatliche Zwangsmaßnahmen gegen die Ärzte durchzusetzen.

Samstag, 14. Februar 2009

Leserbrief an Focus-Online und Welt-Online

Dies ist eine E-Mail die ich an Focus und Welt geschickt habe:

Sehr geehrte Redaktion,
der im Anhang befindliche Brief des Vorstandsvorsitzenden der AOK Rheinland/Hamburg, Herrn Wilfried Jacobs, an den Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW, Karl-Josef Laumann sowie die Kopien an: die gematik, die KV Nordrhein, die KZV Nordrhein und die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen, scheinen Ihrer Aufmerksamkeit im Laufe des journalistischen Tagesgeschäftes entgangen zu sein.
Angesichts der in den letzten Tagen in der Presse verbreiteten Meldungen über Versuche diverser Krankenkassen Ärzte (sogar mit dem Angebot direkter Zahlungen) zu Diagnosecodierungen zu veranlassen, die den Kassen höhere Zuwendungen aus dem Gesundheitsfond zufliessen lassen, halte ich diesen Brief für ebenfalls eine Meldung und genauerer Recherche wert.
Zeigt er doch in erschreckender Weise die Verfassungsauffassung zumindest des Herrn Jacobs, wahrscheinlich aber aller Vorstände der auf Seite 2 aufgeführten Kassen. (Dazu möchte ich Ihre Aufmerksamkeit besonders auf Seite 6, Absatz 2 unter "Bildbeschaffung" lenken.)
Gerade im Zusammenhang mit der seltsamen Rechtsauffassung verschiedener Kassen bei der Codierungsbeeinflussung, der ebenso speziellen Ansicht eines Herrn Mehdorn bei der Bespitzelung von Bahnmitarbeitern, sowie der anstehenden Einführung der egK, verdient dieser Versuch einen Landesminister zu einem Verfassungsbruch (Art. 5 GG: Freie Meinungsäußerung) zu bewegen, mehr öffentliche Beachtung als ihm bisher zuteil wurde.
Leider wurden ähnliche Versuche bei der "Blüm'schen-", und den "Seehofer'schen" Gesundheitsreformen seinerzeit von den Medien unbeachtet gelassen.
In der jetzigen Zeit sollten solche Dinge allerdings ernster genommen werden, gerade bei leitenden Mitgliedern von Körperschaften öffentlichen Rechts.
Vor Jahren hätte eine solchen Verfassungsauffassung eine Verbeamtung als Lehrer oder im öffentlichen Dienst mit Sicherheit verhindert.
In der Hoffnung Ihre Aufmerksamkeit auf einen berichtenswerten Vorgang gerichtet zu haben,
MfG

Reaktion bisher! Keine! Nicht mal 'ne automatische

Der Brief (pdf)

Freitag, 13. Februar 2009

Satire, oder bittere nahe Zukunft

Pizzabestellung im Jahr 2015

Pizzamann: "Danke, dass Sie Pizza xxx angerufen haben. Kann ich Ihre .."
Kunde: "Hi, ich möche etwas bestellen."
P: "Kann ich bitte erst Ihre NIDN haben?"
K: "Meine Nationale ID Nummer, ja, warten Sie, die ist 6102049998-45-54610."
P: "Vielen Dank, Herr Schwardt. Sie wohnen in der Rosenstraße 25 und Ihre Telefonnummer lautet 89 568 345. Ihre Firmennummer bei der Allianz ist 74 523 032 und Ihre Durchwahl ist -56. Ah, Sie rufen von zu Hause an! Schon Feierabend!?"
K: "Hä? Woher wissen Sie das?"
P: "Wir sind an das System angeschlossen."
K: (seufzt) "Oh, natürlich. Ich möchte zwei von Ihren Spezial-Pizzen mit besonderns viel Fleisch bestellen."
P: "Ich glaube nicht, dass das gut für Sie ist."
K: "Wie bitte??!!"
P: "Laut Ihrer Krankenakte haben Sie einen zu hohen Blutdruck und extrem hohe Cholesterinwerte. Ihre Krankenkasse würde eine solche ungesunde Auswahl nicht gestatten."
K: "Verdammt! Was empfehlen Sie denn?"
P: "Sie könnten unsere Soja-Joghurt-Pizza mit ganz wenig Fett probieren. Sie wird Ihnen bestimmt schmecken."
K: "Wie kommen Sie darauf, dass ich das mögen könnte?"
P: "Nun, Sie haben letzte Woche das Buch 'Sojarezepte für Feinschmecker' aus der Bücherei ausgeliehen. Deswegen habe ich Ihnen diese Pizza empfohlen."
K: "Ok, ok. Geben Sie mir zwei davon in Familiengröße. Was kostet der Spaß?"
P: "Das sollte für Sie, Ihre Frau und Ihre vier Kinder reichen. Der Spaß, wie Sie es nennen, kostet 45 Euro."
K: "Ich gebe Ihnen meine Kreditkartennummer."
P: "Es tut mir leid, aber Sie werden bar zahlen müssen. Der Kreditrahmen Ihrer Karte ist bereits überzogen."
K: "Ich laufe runter zum Geldautomaten und hole Bargeld, bevor Ihr Fahrer hier ist."
P: "Das wird wohl auch nichts. Ihr Girokonto ist auch überzogen."
K: "Egal. Schicken Sie einfach die Pizza los. Ich werde das Geld da haben. Wie lange wird es dauern?"
P: "Wir hängen ein wenig hinterher. Es wird etwa 45 Minuten dauern. Wenn Sie es eilig haben, können Sie sie selbst abholen, wenn Sie das Geld besorgen, obwohl der Transport von Pizza auf dem Motorrad immer etwas schwierig ist."
K: "Woher wissen Sie, dass ich Motorrad fahre?"
P: "Hier steht, dass Sie mit den Ratenzahlungen für Ihren Wagen im Rückstand sind und ihn zurückgeben mussten. Aber Ihre Harley ist bezahlt, also nehme ich an, dass Sie die benutzen." K: "@#%/$@&?#!"
P: "Achten Sie lieber darauf, was Sie sagen. Sie haben sich bereits im Juli 2006 eine Verurteilung wegen Beamtenbeleidigung eingefangen."
K: (sprachlos)
P: "Möchten Sie noch etwas?"
K: "Nein, danke. Oh doch, bitte vergessen Sie nicht, die beiden kostenlosen Liter Cola einzupacken, die es laut Ihrer Werbung zu den Pizzen gibt."
P: "Es tut mir leid, aber die Ausschlussklausel unserer Werbung verbietet es uns, kostenlose Softdrinks an Diabetiker auszugeben."
(eingesandt von S. Epper)

dentix: Das soll wahrscheinlich Satire sein. Beim Lesen habe ich aber schwer schlucken müssen. Es erschien mir doch zu realistisch!

Wenn man sich mal ernsthaft schlau macht, was man mit der eGK und der damit zukünftig verbundenen zentralen Speicherung aller Gesundheitsdaten alles anstellen kann, bekommt man Angst. Fehlt nur noch, daß Ulla und Spitzelbube Schäuble die neue TaxID-Nummer als Versichertennummer auf allen eGKarten fordern (zwecks Verwaltungskosten sparen, etc.), dann wird obiges System schneller Realität als uns lieb sein kann.

Die eGKarte als Internetausweis (ähnliches ist für den maschinenlesbaren, biometrischen, mit RFID-Chip versehenen Personalausweis geplant), und RFID-Chip ist hier auch schon angedacht, wegen der Probleme - besonders älterer Menschen - bei der PIN-Eingabe.

Das soll wohl 'ne Mischung aus "1984" und "Brave new world" werden, oder was?

Dazu einige Artikel von Thomas Maus

Gründe

Seit Jahren ärgere ich mich - wie die meisten meiner Berufskollegen - über die deutsche Gesundheitspolitik, die Lügen, Verdrehungen und die politisch ideologisch ausgerichtete Berichterstattung der deutschen Medien und das Desinteresse der meisten gesetzlich Versicherten zu diesem Thema. Es ist schon enttäuschend zu sehen wie wenig GKV-Mitglieder über Ihre Rechte und Pflichten, die Abrechnungsmodalitäten und die tatsächlichen Honorare von Ärzten und Zahnärzten wissen, und besonders über die engen rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen unter denen wir unsere Arbeit leisten sollen.
Ich werde hier versuchen die Sicht eines Betroffenen darzustellen und Aufklärung zu betreiben.
Denn noch immer kursieren die unglaublichsten Vorstellungen und Meinungen über uns.

Ich werde mich also zu allen das Gesundheitssystem und dieses berührende Dinge äußern, z.B.: KZV/KV, SGB V (Sozialgesetzbuch V) Abrechnungsrecht, Finanzen, eGKarte, BKA-Gesetz, Politiker, etc.

Soweit möglich werde ich meine Angaben belegen und/oder verlinken, damit sich jeder selbst von dem Wahrheitsgehalt meiner Ausführungen ein Bild machen kann.

Zur Klarstellung: Dies ist keine Werbung für meine Praxis! Daher verzichte ich bewußt auf Angaben zum Wohnort und Ähnlichem.

dentix