Mittwoch, 4. März 2009

Die Ärzte von Hameln (ein Gleichnis)


Die Ärzte von Hameln
Es war einmal eine Stadt, ist noch gar nicht solange her (eigentlich ist es sogar brandaktuell), die hatte ein Problem.
Ihre Bevölkerung wuchs ständig, den Menschen ging es grundsätzlich gut – Sie hatten genug zu essen und zu trinken, genug Arbeit, auch die Wohnungen waren geräumig und sauber – allerdings störte die Stadtväter, dass die Bevölkerung nicht gut genug medizinisch versorgt wurde. Es gab zu wenige Ärzte und kein Krankenhaus. Das lag in einer weiter entfernten Nachbarstadt.
Um diesem „Notstand“ abzuhelfen, beschloss der Stadtrat ein Aufbauprogramm.
Zunächst gründete der Stadtrat eine Krankenkasse und verpflichtete jeden einfachen Arbeiter Mitglied dieser Kasse zu werden und legte fest für welche Leistungen die Ärzte von der Krankenkasse wie viel Geld für die Behandlung dieser Krankenkassenmitglieder bekommen sollten. Außerdem bestimmte er dass nur sogenannte „Kassenärzte“ die Krankenkassenmitglieder behandeln durften.
Und da die Bezahlung vielen Ärzten angemessen, oder sogar gut erschien, kamen viele nach Hameln, wurden Kassenärzte und behandelten die Kranken der Stadt.

Das ging lange Zeit gut, weil es Hameln weiterhin sehr gut ging.

Man mag den Stadtvätern vorwerfen darüber etwas die Bodenhaftung verloren zu haben, denn sie beschlossen eine beitragsfreie Mitversicherung der Familien der einfachen Arbeiter in der Krankenversicherung und erweiterten den Behandlungskatalog dieser Krankenkasse immer mehr. Auch lebten immer mehr alte Menschen in der Stadt.

Aber Hameln schwamm zu der Zeit im Geld und niemand nahm die Warnungen der Kassenärzte ernst. Die warnten nämlich schon zu dieser Zeit davor das das irgendwann nicht mehr zu bezahlen wäre.

„Ach, was!“ hieß es besonders von leitenden Krankenkassenvertretern und aus dem Rathaus. „Die Kassenleistungen sind sicher!“

Das ging noch eine ganze Zeit so.

Bis es Hameln begann schlechter zu gehen.

Die Wirtschaft wuchs längst nicht mehr so wie zuvor, plötzlich gab es Arbeitslose und die Steuern im Stadtsäckel klingelten auch nicht mehr so lustig wie vorher.
Doch dank der guten Lage davor hatte Hameln nun viele einfache Arbeiter mehr, die dort ihr Brot verdient hatten. Und langsam sanken die Beitragszahlungen für die Krankenkasse.

Ein findiger Stadtrat kam dann auf die Idee: Wenn die jetzigen Kassenversicherten nicht mehr genug Geld haben, dann sorgen wir doch für mehr Versicherte die höher verdienen! Die gleichen den Verlust dann aus!
(Denn auf keinen Fall wollten die Stadtväter zugeben müssen jahrelang das Geld nur so aus dem Fenster geworfen zu haben. Schließlich waren Kassenversicherte Wähler und engstens mit der regierenden Partei des Stadtrates verbunden.)

Gedacht, getan!

Eine kurze Zeit schien das auch zu helfen. Da aber die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt nicht wieder so richtig an Fahrt gewann, erweiterten die Stadtväter den Kreis der Kassenversicherten nach und nach, bis schließlich gut 90 % der Stadtbevölkerung Pflichtmitglieder der Krankenkasse waren. (Außer den Stadträten natürlich!)

Natürlich waren zwischenzeitlich auch die Preise kräftig gestiegen und schon mehrmals hatten sich die Kassenärzte beschwert, wann denn der Stadtrat auch ihre Bezahlung an die Inflation anzugleichen gedächte?
Mit dem Hinweis auf ihre ärztliche Ehre wurden Sie aber immer wieder vertröstet. Voll Vertrauen auf den Stadtrat ließen sich die Ärzte damit erst einmal beruhigen; schließlich ging es Ihnen ja noch nicht wirklich schlecht.

Allerdings gab es wohl mindestens einen Stadtrat der die Zukunft etwas dunkler sah (besonders für seine Partei) und gute Verbindungen zu einer großen Zeitschrift der Stadt hatte.
(Es ist nicht geklärt ob es tatsächlich diese Einflussnahme gegeben hat, das Ergebnis war jedenfalls enorm!)

Diese Zeitschrift veröffentlichte plötzlich einen Artikel mit dem Titel: „Die Beutelschneider“ und stellte darin alle Ärzte und Zahnärzte der Stadt als Raffgiere dar, die den Hals nicht voll genug bekämen.

Dies nahm die Politik der Stadt Hameln dann zum Anlass (unter anderem um vom eigenen Versagen, und anderen Problemen, abzulenken) eine „Kostenexplosion im Gesundheitswesen“ festzustellen, an der eindeutig die Ärzte mit ihren horrenden Verdiensten schuld wären, und beschloss eine „Gesundheitsreform“, die vor allem den Ärzten weniger Bezahlung für ihre Arbeit zu maß, während die Mitglieder des Stadtrates, quer durch alle Parteien, und unterstützt von den Vertretern der Krankenkasse, ihren Wählern erzählte die Kasse würde weiterhin alles für ihre Gesundheit Notwendige vollständig bezahlen.

Da aber die Wirtschaft weiter lahmte, wiederholte sich dies Spiel der „Gesundheitsreformen“ in immer schnellerer Folge.

Die Kassenärzte bekamen immer weniger für ihre Arbeit, konnten aber nicht einfach weggehen oder ihre Kassenzulassung zurückgeben, da sie erstens hohe Kredite am Hals hatten, zweitens es bald niemanden mehr gab der ihnen ihre Praxen abkaufen wollte, drittens auch außerhalb der Stadt Ärzte nicht besonders gesucht wurden, sie sich viertens an die Stadt Hameln gewöhnt hatten, und weil der Stadtrat in einem der letzten „Reformgesetze“ noch beschlossen hatte, dass Kassenärzte ihre Zulassung nicht einfach so zurückgeben dürften (§ 95b SGB V).

Und noch andere Tricks ließen sich die Stadtoberen und die Krankenkasse einfallen, um den Versicherten gegenüber erklären zu können Sie bekämen die beste Versorgung, während sie gleichzeitig zum Beispiel, Budgets für die Ärzte einführten, die Punktwerte – nach denen die Leistungen bezahlt wurden – in ihrem Wert ständig schwanken ließen (meistens nach unten). Sie schufen Regresse für schon bezahlte ärztliche Arbeit, sogenannte Wirtschaftlichkeitsprüfungen und vieles mehr.

Natürlich führten die Kasse und der Hamelner Stadtrat das nicht selber durch, nein sie erlegten all dies der Kassenärztlichen Vereinigung, die eigentlich auch die Interessen der Ärzte vertreten sollte, auf, indem sie deren Rechte mit jedem neuen Gesetz immer mehr beschnitt und sie zum Handlanger ihrer Interessen machte.
(Worüber die Ärzte ziemlich erbost waren, denn da die KV von ihnen bezahlt wurde, bezahlten somit Sie die Büttel ihrer Fronherren!)

Ganz allmählich wurden in der Stadt auch die Kassenmitglieder unruhig, denn natürlich fiel auch Ihnen auf dass Ihre Beiträge stiegen und stiegen, trotzdem die bezahlten Leistungen immer weniger wurden.

Und wieder versuchte der Stadtrat - es ging auf ein Wahljahr zu - es auf altbewährte Manier.
Er beschloss ein neues Gesetz durch das die Kassenärzte noch weniger verdienten und erhöhte gleichzeitig die Kassenbeiträge.

Doch diesmal hatte der Rat sich wohl einmal zu viel auf diese „bewährte“ Taktik verlassen.
Die Kassenärzte meuterten massiv. Sie konnten nicht mehr. Das Ende der Fahnenstange war erreicht. Sie machten nur noch „Dienst nach Vorschrift“, oder behandelten nur gegen Bares.
Da nutzte es auch nichts mehr, dass der Rat wiedereinmal versuchte den Kassenärzten oder der KV die Schuld an der Misere zuzuschieben, Ihnen Strafmaßnahmen androhte oder versuchte ihnen die freie Meinungsäußerung zu verbieten.

Auf den Punkt brachte es ein Bild das plötzlich durch die Stadt geisterte:
Das ehrwürdige Denkmal des „Rattenfängers“ in einen Arztkittel gehüllt, ein Stethoskop umgehängt und zu Füßen eine leere Geldbörse.

Nun bekamen die Stadtväter doch Beklemmungen!

Zu gut war Ihnen die Geschichte bekannt, in der der Hamelner Stadtrat den Rattenfänger um seinen verdienten Lohn betrogen hatte.

Und die Moral von der Geschicht':
„Betrüge Rattenfänger, und auch Kassenärzte, nicht!“

(Hoffentlich lernen die jetzigen „Stadtväter und -mütter“ dieser „Stadt Hameln“ etwas daraus – und zwar ganz, ganz schnell!)

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