Freitag, 3. Juni 2016

Die Grünen und die Wartezeiten


Seit Heute wird wieder eine alte Sau durchs Dorf getrieben!
Die langen Wartezeiten von gesetzlich Versicherten im Vergleich zu Privatversicherten!


Die Grünen haben eine „Erhebung“ gemacht und dabei herausgefunden, daß Kassenpatienten im Schnitt 27 Tage länger auf einen Termin warten müssen als Privatpatienten. Und natürlich schieben sie das auf eine 2-Klassenmedizin und die Medien (z.B. Welt, RP, Focus, etc...) tröten ins gleiche Horn!
Die Ärzte sind ja so böse!


Traurig daran ist, daß die Grünen eigentlich die gesetzlichen Grundlagen der GKV kennen müssten! Wenn nicht, ist das tatsächlich nicht nur traurig, sondern schon bedenklich für eine im Bundestag – nicht erst seit gestern - vertretene Partei!
Ebensolches gilt für die Medien! Auch die sollten entweder die gesetzlichen Hintergründe kennen, oder wenigstens etwas recherchieren, bevor sie ungeprüft dummes Zeug weiterverbreiten!
So ist das tatsächlich ein Beleg für manipulative Berichterstattung (oder Faulheit!?), um nicht zu sagen: „Lügenpresse“!


Was die Grünen, bzw. die Presse nämlich (wohlweislich) nicht erwähnen, ist ein wesentlicher Unterschied zwischen gesetzlichen und Privatpatienten für die Praxen!
Für gesetzlich Versicherte gibt es für jede Praxis (Ausnahme Zahnärzte, bei denen wird das Gleiche über z.B. den „Honorarverteilungsmaßstab“ geregelt) ein sogenanntes RLV (Regelleistungsvolumen). Das RLV legt – unter Zuhilfenahme vorheriger Abrechnungszahlen, den Abrechnungszahlen der umliegenden Kollegen gleicher Fachrichtung, den Fallpauschalen und dem zur Verfügung stehenden Gesamtbudget der Kassen – fest wieviel ein Arzt im Quartal abrechnen darf. Es ist, salopp gesagt, ein Praxisbudget! Aus dem RLV ergibt sich somit auch wieviele GKV-Patienten ein Arzt im Quartal behandeln darf, ohne das ihm sein Honorar gekürzt wird!
Ein Beispiel zum Verständnis: Ergibt sich aus dem RLV, daß die Praxis im Quartal 1500 GKV-Patienten behandeln darf, bekommt der Arzt für diese 1500 Patienten das volle Honorar.
(Zumindest ist das so gedacht, ob es so eintrifft ist eine ganz andere, und zu häufig durchaus offene, und manchmal erst nach mehreren Jahren endgültig geklärte, Frage!)
Für die Patienten 1501 – 1700 beispielsweise, erhält der Arzt dann nur noch 80%, für 1701- 1800 70%, 1801-1900 60%, 1901-2000 50%, usw., bis er am Ende Nichts mehr bekommt, das heißt umsonst arbeitet!
Das ist ein Beispiel, aber im Prinzip ist es richtig, daß bei Überschreitung der RLV-Vorgabe in mehreren Stufen das Honorar bis auf Null gesenkt wird! Bis zu dem Punkt an dem die Honorierung nicht mal mehr die Praxiskosten deckt, kann der Arzt das Spiel eventuell mitmachen, aber spätestens da ist Schluß mit lustig, ab da müsste er nämlich aus eigener Tasche zuzahlen!


Daraus ergibt sich, daß es für begrenzte Bezahlung auch nur begrenzte Patientenversorgung und damit auch nur eine begrenzte Zahl an Terminen gibt! Punkt!
Ergo: RLV heißt begrenzte Zahl von Terminen, heißt Wartezeiten!
Und da liegt die Ursache des Problems, nicht bei einer angeblichen Bevorzugung von Privatpatienten! Das ist völliger Quatsch!
Über 90% der Patienten sind gesetzlich versichert und nur für die gilt das RLV! Nur rund 10% der Patienten sind Privatversicherte, die a. erwiesenermaßen weniger zum Arzt gehen als gesetzlich Versicherte, und b. zum Teil nur Privatärzte aufsuchen, also garnicht von Vertragsärzten (1) behandelt werden und damit bei diesen schon gar keine Termine in Anspruch nehmen!
Selbst wenn alle Privatversicherten genauso häufig zum Arzt gingen wie die gesetzlich Versicherten, würde das für die Wartezeiten Letzterer höchstens Minuten bedeuten!
Ein Arzt wird die Termine die sich aus seinem RLV ergeben möglichst gleichmäßig auf das gesamte Quartal (außer er macht Urlaub) verteilen, allein schon um eine gleichmäßige Auslastung zu haben und nicht im letzten Monat des Quartals seine Mitarbeiter herumsitzen zu haben, oder in „RLV-ausgereizt-Urlaub“ schicken zu müssen, das kostet nämlich sein Geld!
(Das hatten wir schon mal und hieß da „Budgetferien“ und löste einen ungeheuren Shitstorm aus, was schon damals die Falschen traf, statt der Verantwortlichen in Politik und Kassen!)
Folglich gibt es zwischen den „RLV-Terminen“ durchaus die Gelegenheit Privatversicherte „dazwischen zu schieben“, oder halt auch mal außerhalb der regulären Behandlungszeiten zu behandeln, da diese sein RLV nicht belasten!
Der fatale Irrtum besteht darin zu glauben diese Termine stünden ansonsten den gesetzlich Versicherten zur Verfügung, die Privatversicherten würden vorgezogen und nähmen den GKV-Patienten die Termine weg!
Das ist falsch!
Gäbe es die Privatversicherten nicht, käme nicht ein gesetzlich Versicherter früher dran!
Aber das machen uns Grüne und Medien glauben! Und ich bin mir sicher, sie wissen, daß das eine Lüge ist!
(1) Dazu muß man wissen, daß nach deutschem Kassenrecht nur Vertragsärzte (früher: Kassenärzte, also Ärzte mit Kassenzulassung) die Behandlung gesetzlich Versicherter über die Kassenärztlichen/Kassenzahnärztlichen Vereinigungen mit den Krankenkassen abrechnen dürfen und die Krankenkassen auch nur an Vertragsärzte zahlen dürfen (Ausnahme. Notfall!). Dafür muß sich der Vertragsarzt an die Richtlinien und Vorgaben der Krankenkassen welche Behandlung wirtschaftlich, ausreichend, notwendig und zweckmäßig ist, halten, usw.
Das war früher mal durchaus interessant, da das einen sicheren monatlichen Zahlungseingang bedeutete! Heute jedoch, nachdem Honorare vielfach gekürzt wurden, die Bürokratie überhand nimmt, Politik und Medien fortwährend auf die Ärzte eindreschen, nicht mehr der Patient und seine Krankheit, sondern die Frage wieviel das die Kassen kostet und ob man sich als Arzt die Behandlung noch leisten kann, im Mittelpunkt steht, träumt so mancher Arzt davon die Kassenzulassung zurückgeben! (Was auch nicht so einfach ist, denn es gibt da den Paragraphen 95b im Sozialgesetzbuch V, genannt „Seehofers Rache“! Ein Vertragsarzt der seine Zulassung „... in einem mit anderen Ärzten aufeinander abgestimmten Verfahren oder Verhalten ..“ und sei es auch nur angenommen, zurückgibt, wird mit verschiedenen „Daumenschrauben“ bestraft! Lohnt sich zu lesen und zu überlegen, ob das mit dem Grundgesetz vereinbar ist?)
Läßt sich ein gesetzlich Versicherter (was er natürlich darf) von einem Privatarzt behandeln muß er die Kosten selbst tragen und bekommt im Regelfall von den Kassen keinen Cent!


Nun könnte man auf die Idee kommen das Problem durch mehr Ärzte zu lösen, was funktionieren könnte, gäbe es da nicht die Zulassungsbeschränkungen!
Nach KV/KZV verschieden – und auch innerhalb der KV Gebiete noch unterschiedlich – gibt es Kennzahlen wieviele (Vertrags-)Ärzte welcher Fachrichtungen in diesen Bereichen tätig sein dürfen! Wird die Kennzahl um eine bestimmte Höhe überschritten wird der Bereich „zulassungsgesperrt“, das heißt es darf sich kein weiterer (Vertrags-)Arzt der Fachrichtung für die die Sperre gilt, dort mehr niederlassen!
(Noch dürfen vorhandene Praxen fortgeführt werden, was allerdings (wenn das tatsächlich mitbeschlossen wurde?) mit dem neuen „Versorgungsstärkungsgesetz“ in Frage steht, denn danach darf in Zukunft der Arzt seine Praxis in zulassungsgesperrten Gebieten nicht mehr an einen Interessenten seiner Wahl verkaufen, sondern MUSS an die KV/KZV verkaufen, was de facto einer Enteignung gleichkommt! - Wieder die Frage inwieweit das mit dem Grundgesetz vereinbar ist?)
Das war früher auch im Interesse der Ärzteschaft um ruinösen Wettbewerb zu verhindern! Inzwischen ist es aber ein Mittel der Politik und Kassen um die Gesundheitsausgaben zu begrenzen und verschärft die Terminproblematik!
Wie man deutlich sieht, wird mal wieder auf die Falschen eingedroschen!
Es sind NICHT die Ärzte die das Problem verursacht haben, es ist die Politik – und ihres Zeichen eine bestimmte ehemalige Bundesgesundheitsministerin, Ulla „Das-steht-mir-doch-zu“ Schmidt, die dafür verantwortlich zeichnet!
Die Ärzte halten sich lediglich an das was ihnen Politik und Kassen vorschreiben!

Aber seit Ehrenberg ist es immer dasselbe: Die Politik entdeckt etwas was sie meint regeln zu müssen, hört NIE auf die warnenden Stimmen (besonders der Ärzte, die jedesmal das Scheitern begründet vorhersagten) und wenn es dann mal wieder in die Hose geht, sind wer schuld: die Ärzte!
Was dann wiederum zum Anlass genommen wird die nächste Sau durchs Dorf zu treiben und den Ärzten die Daumenschrauben anzuziehen!

Wie sagte Prof. Schnauz es in der „Feuerzangenbowle“ so treffend: „Bäh! Wat habt ihr für 'ne fiese Charakter!“

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